Aus der Vereinsgeschichte

Schachclub Sindlingen 1925 von 1971 bis 1986 - Ein Rückblick

Der Verein spielte 1971 mit einer Mannschaft in der UV-Klasse zwischen Mittelfeld und Abstieg. Die Zahl der Mitglieder liegt bei ca. 25 - 30. Das Vereinslokal ist die Sindlinger Traditionskneipe ‘Zum Stern’ und der Schachclub teilt sich das durch eine Schiebetür aufgeteilte Kolleg am Freitagabend mit dem Gesangverein. Das bedeutet: von 20:00 bis ca. 21:20 Uhr Schach mit Musikbegleitung. Mit kurzen Unterbrechungen langjähriger Vorsitzender ist Rudi Bonnaire.

Im Frühjahr 1971 startet der Schachclub Sindlingen mit dem für seine Verhältnisse wohl revolutionären Unternehmen einer Jugendarbeit. Bereits im Vorjahr hatte es erste vorsichtige Versuche gegeben - angeleitet von Werner Koldehofe. Doch nun wird es ernst - Spielerpässe werden beantragt. Zunächst werden dazu natürlich die Kinder der Vereinsspieler rekrutiert. Ulli und Bärbel Bonnaire, Claus und Lutz Rexroth sowie Eddi Stenner schleppen eine Menge Freunde und Schulkameraden in den Verein. Allein aus einer Klasse der Robert - Koch - Schule kommen neun Leute zusammen. Innerhalb kurzer Zeit ist eine Truppe von 15 bis 20 oder gar mehr Schülern und Jugendlichen beisammen - hauptsächlich im Alter zwischen 10 und 14. Das Himmelfahrtskommando, die Mannschaft zu bändigen, übernimmt zuerst Werner Rexroth. Bereits bei den MTS - Schülermeisterschaften im Herbst können einige Achtungserfolge erzielt werden (u. a. MTS - Mädchenmeisterin - Isabell Kratz). Aber der Posten des Jugendleiters in Sindlingen ist hart und oft gefährlicher als die Arbeit eines Fußballtrainers. Bereits im nächsten Jahr übernimmt Waldemar Henscher den vertrackten Job - von seinen Fans nunmehr ‘Trainer’ genannt.

In den Jahren 72 bis 74 konsolidiert sich die Jugendarbeit zusehends - doch zwischen 18:00 und 20:00 Uhr geht es immer hoch her im ‘Stern’. Auch wenn von den euphorischen Startern viele schon bald wieder dem Verein den Rücken gekehrt haben, ist ein kontinuierlicher Zugang neuer junger Leute zu verzeichnen, darunter auch heute noch bekannte Größen wie Erich Marx oder Wolfgang Andreas. Sindlingen spielt als Jugendmannschaft im Konzert der andern MTS - Vereine (Hofheim, Steinbach, Schwalbach, Rüsselsheim, Flörsheim) ganz achtbar mit. Die Stabilisierung zeichnet sich auch dadurch aus, daß nunmehr - 1973/74 - Jugendliche auch die Spielabende der Erwachsenen wenigstens für ein paar Stunden besuchen. Ja selbst schon in der berühmt - berüchtigten 1. Mannschaft eingesetzt werden. Die Strategien der jungen Spieler sind dabei an den Spielabenden oft eher prosaisch. Man muß nicht unbedingt besser spielen können, sondern nur solange warten können, bis der Gegner genug Bier getrunken hat; dann schleichen sich die Fehler von selber ein.

Tja die Erwachsenen - sie tun sich zu dieser Zeit eher schwer mit dem Schachspielen. Die Vereinsführung - meist unter Leitung von Rudi Bonnaire - hat zwar den richtungsweisenden Wechsel in die Topkneipe ‘Sindlinger Bierbrunnen’ realisiert, steht jedoch der spielerischen Stagnation des Vereins eher hilflos gegenüber. Für ein Jahr war es Rudi gelungen, den Vereinsvorsitz, den er zu lieben schien wie der Teufel das Weihwasser (was aber nach vielen Jahren als Vorsitzender auch nachvollziehbar ist), abzugeben. Der neue Mann ist das Nachwuchstalent Norbert Meisemann. Doch auch so konnte nicht verhindert werden, daß - auch ausgelöst durch den Vereinslokalwechsel - gute Spieler den Verein verlassen und mittlerweile akute Abstiegsgespenster über der 1. Mannschaft kreisten. Als in der Saison 1974/75 an den Brettern 2 bis 4 der UV-Klasse für Sindlingen drei Spieler unter 20 versuchen den Altersschnitt des Teams zu drücken und den Klassenerhalt zu sichern ist - wie man so sagt - die Mess’ wohl schon gelesen. Die Mannschaft steigt souverän mit 1:17 Punkten ab.

Im Jahr des 50 - jährigen Jubiläums spielt der SC Sindlingen in der Bezirksklasse. Langsam werden die Spielabende der Jugendlichen ruhiger und bald sind 4 bis 5 Jugendliche fest in die Sindlinger Stamm-Mannschaft integriert. 1977 gelingt es einem der Jungen, Harald Schwede, mit tatkräftiger Unterstützung von Uli Bonnaire die Vereinsmeisterschaft zu gewinnen.

In den letzten Jahren immer mal wieder von Ferne leuchtend, kehrt 1977 Ferdi Niebling zurück in die Sindlinger Mannschaft. Ferdi Niebling, seit Beginn der fünfziger Jahre der mit Abstand stärkste Sindlinger Spieler, hatte einige Zeit (Anfang der siebziger Jahre) für Hofheim - auch in der 1. Bundesliga - gespielt. Während dieser Zeit hielt er dem SC Sindlingen die Treue und demonstrierte immer mal wieder im Sindlinger Vereins- oder Pokalturnier seine große Klasse. Solchermaßen verstärkt gelingt uns 1978 der Wiederaufstieg in die UV-Klasse.

Der spielerische Aufschwung des Vereins hält an, wobei es auf gesellschaftlicher Ebene eher ruhig wird. Schach ist das zentrale Thema. Um die Jugendarbeit ist es etwas ruhiger geworden. Gunter Eiden (Lehmann) und später Wolfgang Andreas haben hier die Zügel in die Hand genommen. Die Kids der frühen siebziger sind nun doch schon etwas deplaziert beim Jugendabend, auch wenn diese es manchmal nicht so recht wahr haben wollen.

Den größten schachlichen Erfolg seit langem kann die 1. Mannschaft (seit einigen Jahren spielt auch wieder eine 2. Mannschaft) mit dem Gewinn der MTS - Mannschaftsmeisterschaft 1980 und dem Aufstieg in die Landesklasse Südwest feiern. Unvergessen dabei bleibt die Partie des Ersatzspielers - Rainer Weihrich. Doch die dünne Luft in dieser Klasse bekommt uns nicht und so sind wir eine Saison später wieder auf dem harten Boden der Tatsachen - der UV - Klasse. Das scheint dem spielerischen Aufschwung des Vereins zunächst jedoch zunächst keinen Abbruch zu tun.

In der Saison 1981/82 spielt der SC Sindlingen nach Menschengedenken zum erstenmal mit drei Mannschaften in der MTS-Runde. Davon eine Jugend- und Schülermannschaft, die sich unter der rührigen Arbeit von Wolfgang Andreas gut entwickelt. In der Saison 1982/83 schafft einer der Jungen wieder den Sprung in das Team Number 1 und bald darauf leider auch aus dem Verein - Stefan Reschke. Obwohl wir nominell wieder ein starkes Team an den Brettern haben, kann der Abstieg nicht verhindert werden - unter anderem wg. Verlust gegen die Bären aus Unterliederbach (nur einer von insgesamt vier 3 ½ : 4 ½ Wettkämpfen der Saison). Es beginnt sich eine gewisse Krise abzuzeichnen. Die Zahl der spielstarken Kräfte für die 1. Mannschaft ist zu gering, so daß jeder Ausfall in der Stammformation das Team gleich zum Zittern bringt. Die Situation im Spiellokal wird durch zunehmende spontane Ausquartierungen schwierig; insbesondere die Jugendarbeit verliert so ihre Kontinuität, aber auch im Bereich der Erwachsenen kommen kaum neue Leute in den Verein. Der Kreis der schachlichen Aktivisten schrumpft, obwohl im benachbarten Zeilsheim sich in dieser Zeit der Schachklub auflöst und einige Spieler nach Sindlingen kommen. Einer ihrer Topleute - Markus Busche - spielt bald in unserer 1. Mannschaft. Darüber hinaus fehlt dem Verein quasi jede Außendarstellung. Zunächst wird die dritte und bald auch die zweite Mannschaft zurückgezogen. Obwohl ein harter engagierter und auch spielstarker Kern im Verein besteht, beginnt allmählich die Basis des Vereins verloren zu gehen. Die Gruppe der weniger ambitionierten Freizeit-Schächer fängt an, sich vom Verein zurückzuziehen.

Im Januar 1983 erliegt Harald Schwede der zweifelhaften Versuchung, den Postens des 1. Vorsitzenden zu übernehmen. Nach einem Jahr Bezirksklasse sitzen wir 1983/84 schließlich wieder in der UV - Klasse. Im Sommer 1983 schlagen uns die Schachfreunde aus Unterliederbach einen Wettkampf vor. Zur Erinnerung an den verstorbenen gemeinsamen Vereinsgründer Paul Kern in Sindlingen spielen wir einem Freundschaftskampf (Blitzturnier nach Scheveninger System Ergebnis 70:49). Der Rückkampf wird als Einzelturnier in Sindlingen gespielt, Uli Bonnaire gewinnt.

Die Spiellokalfrage wird immer drängender. Schließlich wird der Leidensdruck im ‘Bierbrunnen’ zu groß, wir entschließen uns zum Umzug in ein anderes Spiellokal - ‘Am Mainberg’ klein aber nett - vielleicht ohne den großen Charme des Bierbrunnens, aber dafür mit der Hoffnung auf einen geregelten freitäglichen Spielabend. Die Jugendarbeit hat wohl dank der Vereinslokalquerelen schon einige Probleme, dazu kommen noch ‘Trainerwechsel’. Die spielerische Basis wird geringer, ebenso nehmen die Mitglieder das neue Spiellokal nur eher zögerlich an. Nach weniger als einem Jahr spricht die Wirtin ‘Am Mainberg’ ein „Halt!“. Die Kneipenära geht für den SC Sindlingen zu Ende.

1985 finden wir uns bei Flaschenbier im katholischen Gemeindehaus wieder, nachdem die Mitgliederversammlung sich knapp gegen einen erneutes Spiel-’Lokal’ ausgesprochen hatte. Ein schwerer Schlag für die thekengewohnten Schachfreunde aus Frankfurts Westen. Besonders die oben schon angesprochene Gruppe der Schachstrategen, für die ein gutes Bier am Freitagabend eher wichtiger ist als eine vierstündige Schachpartie, beginnen sich nun endgültig zurückzuziehen. So wird ganz klar, was alle eigentlich alle wußten: der Verein bildet eine Klammer um ein paar schachspielerische Ideale und ein geselliges Miteinander.

Im Jahr des 60 jährigen Gründungsjubiläums bringen wir für unsere Verhältnisse sogar noch einiges auf die Beine: Wochenendwettkampffahrt nach Bad Soden-Salmünster und zwei Freundschaftskämpfe gegen die Schachfreunde aus Flörsheim und Höchst. Gegen Höchst gelingt sogar ein knapper Sieg.

Obwohl oder vielleicht gerade weil der Verein schon recht tief in der Krise sitzt, wird im Jahr 1986 die Tradition der gefürchteten Schachtrainingslager in Schollbrunn im Spessart geboren. In dieser Zeit ist es noch sehr umständlich, an den Tresen mit der weißbiergeschwängerten Luft in der ‘Sonne’ zu gelangen. Umwege über Mespelbrunn und das Kloster Engelberg müssen überwunden werden - Übernachtung fernab. Noch keine Spur vom tempoorientierten Direktweg ins Schachmekka - aber schon der bekannte Ausgang: das Team ‘Sonne’ gewinnt gegen das Team ‘Kartause’.

Aber all dies hilft nichts. Der Verein landet dennoch schließlich in einer großen Krise. Als auch noch tröpfchenweise die schachlichen Stützen beginnen, den Verein zu verlassen, wird entschlossenes Handeln unabdingbar. Wir schreiben das Jahr 1987.

Harald Schwede

(Quelle: Schabernack 8)